Achtsamkeit,
im Hier und Jetzt leben, den Augenblick genießen, langsam werden – all das kann
man in unzähligen Ratgebern lesen oder in Kursen und Workshops lernen. Oder…
von unseren Kindern. Kinder können das. Total im Moment leben, sich auf etwas
einlassen, ohne an die Folgen zu denken, für Kleinigkeiten ewig brauchen. Im
Alltag kann das für uns Eltern auch mal nervig sein, aber grundsätzlich sehe
ich darin eine wunderbare Fähigkeit und ich versuche jeden Tag, ein bisschen
von den Kindern zu lernen. Es ist doch egal, wenn wir beim Spazierengehen nur 200
Meter schaffen, weil ein Käfer den Weg kreuzt, die Böschung beklettert werden
muss oder 50 Steine in die Lenkertasche des Dreirads wandern. Der Weg ist das
Ziel - Kinder können das, wir Erwachsenen müssen es wieder lernen.
Auch bemühe
ich mich im Moment immer wieder, unseren Alltag zu entschleunigen. Heute haben
Kinder und Familien oft so viele Termine, schon Babys werden in diversen Kursen
gefördert, Kleinkinder haben mehrmals wöchentliche Termine, von älteren Kindern
ganz zu schweigen. Dagegen ist natürlich grundsätzlich nichts einzuwenden. Ich
habe mit dem Sohnemann damals auch einen Babymassagekurs gemacht und mit dem
Töchterlein besuche ich ab und zu eine Stillgruppe. Es ist schön, in Kontakt mit
anderen Mamas zu kommen, sich auszutauschen und vor der sprichwörtlichen Decke
zu Hause zu flüchten, die sonst droht, einem auf den Kopf zu fallen. Auch jetzt
mit beiden Kindern besuche ich gerne Freundinnen mit Kindern oder die
Großeltern und wir empfangen sehr gern Besuch. Aber eben mit Maß und Ziel, wenn
möglich nur ein „Termin“ pro Tag. Oft lungern wir bis 9 Uhr morgens im
Schlafanzug rum, brauchen ewig fürs Frühstück und noch länger, bis der
Frühstückstisch wieder abgeräumt ist. Wir gehen auch bei schlechtem Wetter oft
nach draußen, ohne Plan und Ziel.
Kinder
müssen nicht dauernd entertaint werden, vielmehr sind es oft die kleinen Dinge,
die den besonderen Zauber der Kindheit ausmachen. Der tägliche Spaziergang zu
Nachbars Hühnerstall, das Balancieren am Gehsteig vor dem Haus, das zehnmalige
Lesen ein und desselben Buches, das gemeinsame Kuchenbacken und Ausschlecken
der Teigschüssel, ein ausgelassener Tanz durchs Esszimmer oder eine Runde
Kuscheln am Teppich im Kinderzimmer – und vor allem Eltern, die den Kindern
Zeit schenken und Zeit lassen, um die Welt zu entdecken.
Und nein, es
ist nicht immer leicht. Oft sind die Tage allein mit zwei so kleinen Kindern
sehr, sehr lang und auch einsam. Manchmal unternehmen wir spontan etwas, weil
ich Lust auf Gespräche mit anderen Erwachsenen habe. Manchmal treibe ich den
Sohnemann zur Eile, weil ich zu wenig Geduld habe. Manchmal nervt es mich
unheimlich, wenn er eine gefühlte Ewigkeit zum Händewaschen braucht und zum zwanzigsten
Mal „Bruder Jakob“ mit mir singen mag und das tue ich dann auch kund. Aber
immer öfter gelingt es mir, mich auf das Tempo und die Interessen der Kinder
einzulassen. Dann genieße ich die frische Luft, während der kleine Mann nach
dem Einkaufen dringend noch vor der Haustüre kehren muss und kuschle mit dem
Töchterlein, während der Sohnemann fünf Minuten zum selbstständigen Anziehen
der Schuhe braucht. Ich verdränge immer öfter den Gedanken an die Wäsche im
Trockner und setze mich auf den Boden, beobachte meine beiden in ihrem Tun und
freue mich über ihren Entdeckerdrang. Das ist Achtsamkeit im Familienalltag und
es tut uns so gut. Mir, den Kindern, uns allen.
Einen Literaturtipp zum Thema habe ich auch noch für euch: Slow Family von Nicola Schmidt und Julia Dibbern.
Wie geht es
euch mit Langsamkeit? Mag jemand seine Erfahrungen schildern, ich würde mich
freuen!
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