Foto von Mara Pilz Fotografie
Liebe Sabine! Vielen Dank, dass du dich bereit erklärt hast,
als Profi ein paar Fragen übers Babytragen zu beantworten. Magst du uns zu
Beginn gleich erzählen, wie du zum Tragen gekommen bist?
Ich wusste schon in der Schwangerschaft, dass
ich gerne mein Baby tragen wollte. Leider gab es in meiner Umgebung damals noch
keine Trageberatung. Eine Freundin zeigte mir das elastische Tuch, das mir
überhaupt nicht taugte (und damals wusste ich leider auch nicht, dass zwischen einem
elastischen und einem gewebten Tuch Welten liegen)
und als Tragehilfe die Manduca, auch diese fand ich nicht so bequem.
Also habe ich mir kurzerhand die Fräulein Hübsch Tragehilfe
online bestellt, mir die Anleitung durchgelesen und schon kurz nach der Geburt
ging es los mit dem Tragen. Zum Glück fühlten sich sowohl mein Mann als auch
ich mit der gekauften Tragehilfe wohl und wir haben sehr, sehr viel getragen,
da mein Sohn den Kinderwagen von Anfang an durch Weinen und Schreien verweigert
hat.
Wir fanden das Tragen hauptsächlich praktisch und erst durch
meine Ausbildung zur Trageberaterin wurde mir klar, wie viele Vorteile es
sowohl für die Babys als auch die Eltern gibt!
Die Vorteile für tragende Eltern sind vielfältig, darüber habe
ich auch schon einmal einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben. Aber wie
sieht es denn mit den Vorteilen für die Babys aus? Welche positiven
Auswirkungen hat es für das Kind, wenn es getragen wird?
Die Vorteile für das Baby sind genauso
vielfältig wie für die Eltern. Das Baby war lange Zeit im Bauch der Mama -
durch das Tragen fühlt sich das Baby durch die Enge und die Geräusche wie den
mütterlichen Herzschlag, die es von der Schwangerschaft kennt, geborgen.
Das Bedürfnis nach Nähe des Babys wird befriedigt.
Das Tragen hat positive Auswirkungen auf die körperliche
(Entwicklung der Hüfte, Sinnesentwicklung und Wahrnehmung werden unterstützt,
durch den Hautkontakt wird das Immunsystem gestärkt, der Stoffwechsel wird
angeregt - Blähschmerzen können dadurch verringert werden usw...) und geistige
Entwicklung (Kommunikation auf Augenhöhe, Bonding, Bedürfnisse werden schneller
befriedigt, usw...) des Babys.
Dein Baby kann überall mit dabei sein und die Welt mit dir
zusammen erkunden und sich bei Bedarf aber auch zurückziehen und/oder schlafen.
Ich beobachte ja einen Trend zum Tragen, was ich ganz toll
finde. Allerdings wird auch das Angebot an Tragetüchern und Tragehilfen immer
größer. Wie findet man sich in diesem Dschungel zurecht? Woran erkennt man eine
gute Tragehilfe?
Einerseits finde ich es auch toll, dass es
bereits so viel Angebot gibt, aber anderseits wird es so auch schwieriger, sich
für die richtigen Tragehilfe zu entscheiden. Jeder findet etwas anderes bequem
- das ist wie Schuhe kaufen - am besten man probiert verschiedene aus. Das geht
natürlich am besten in einer Trageberatung, da die Babyfachmärkte nur sehr
wenig Auswahl an guten Tragehilfen anbieten und die Verkäufer auch keine
Trageberater sind.
Viele Trageberaterinnen achten darauf, dass sie verschiedene
Tragehilfen zur Auswahl im Sortiment haben. Zuerst wird probiert, welche Art
von Tragehilfe (zum Binden, mit Schnallen etc.) am besten zum Tragenden passt
und danach können noch verschiedene Tragehilfen von unterschiedlichen
Herstellern ausprobiert werden.
Wichtig bei Tragehilfen finde ich, dass die Tragehilfe gut auf
das Baby einstellbar ist:
- Der Steg sollte stufenlos verstellbar sein und etwa von
Kniekehle zu Kniekehle des Babys reichen, dadurch erreicht man die
Anhock-Spreizhaltung.
- Die Tragehilfe sollte den gerundeten Rücken des Babys
zulassen und stützen, aber keinen Druck auf den Rücken ausüben.
- sowohl der Kopf sollte gestützt werden können, als auch eine
Stützung seitlich sollte vorhanden sein.
- das Gewicht des Babys sollte gleichmäßig auf den Tragenden
verteilt werden.
Ich kenne mehrere Mamas, die sich nicht getraut haben, ihr
Baby zu tragen aus Angst, mit dem langen Tuch nicht zurecht zu kommen und einen
Fehler zu machen. Persönlich bin ich ja der Meinung, dass ein nicht perfekt
gebundenes Tuch immer noch viel besser ist, als gar nicht zu tragen. Aber
welchen Fehler sollte man wirklich vermeiden?
Auch ich finde generell: Hauptsache tragen <3
Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die erwiesen haben, dass
nicht so optimale Tragehilfen, bei denen man etwa den Steg nicht einstellen
kann und somit keine Anhock-Spreizhaltung erreicht, tatsächlich irgendwelche
Spätfolgen hätten.
In einigen Anleitungen von Tuchherstellern ist allerdings noch
die Wiegehaltung (liegendes Tragen) beschrieben. Von dieser rate ich aber den
Eltern tatsächlich ab, da hier der Kopf des Babys an dessen Brust sinken
könnte. Sowohl die Speise-als auch Luftröhre sind noch sehr weich und können
somit in bestimmte Lagen sich zusammendrücken. Dadurch kann die Sauerstoffsättigung
abfallen und es kann zu ernsthaften Problemen führen.
Ein Thema, das uns gerade wieder betrifft, ist die passende
Kleidung. Im Winter hatte ich einen Trageeinsatz für die Winterjacke. Diese ist
einerseits nun zu warm, andererseits trage ich das Töchterlein nun immer öfter
auch am Rücken und bin mir dann unsicher, ob ihr nicht kalt wird, wenn wir
draußen sind. Welche Empfehlungen hast du bezüglich Kleidung des Kindes und des
Tragenden?
Im ersten Lebensjahr empfehle ich
grundsätzlich, das Baby unter der eigenen Jacke zu tragen, da es selber noch
nicht so gut die Temperatur regeln kann und unter der Jacke des Tragenden ein
besserer Wärmeaustausch stattfindet. Im Frühling und Herbst bietet es sich an,
eine dünnere Tragejacke zum Beispiel aus Bio-Fleece oder Sweat zu tragen (es
gibt Tragejacken, die dafür ausgelegt sind, vorne und hinten tragen zu können).
Oder aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, dass das
Baby einen Fleece- oder Wollwalkoverall trägt. Vor allem bei Laufanfängern ist
das sehr toll, wenn sie mal rauf, mal runter wollen.
Des Weiteren gibt es auch Tragecover aus
unterschiedlichen Materalien wie Fleece, Wollwalk, wasserabweisende Oberfläche und
so weiter.
Man kann bei kälteren Temperaturen und größeren Traglingen
auch beides kombinieren: Fleece/Wollwalkoverall und Tragecover.
Abschließend würde ich mich noch über deine
ganz persönlichen Gedanken freuen: Was ist für dich das Schönste am Tragen? Und
was möchtest du den Mamas, die du berätst, ganz besonders mitgeben?
Ich habe momentan ja leider keinen Tragling
mehr (Nachwuchs ist unterwegs ) aber ich
fand die Tragezeit wunderschön, ganz besonders die Nähe zu meinem Sohn!
Außerdem fand ich es immer viel praktischer als den
Kinderwagen (den ich daher nur sehr selten verwendet habe), ich hatte die Hände
frei, konnte mich überall gut bewegen (einkaufen, spazieren gehen) und auch
kleinere Dinge im Haushalt erledigen. Mein Sohn war immer mit dabei und fühlte
sich auf diese Weise sehr wohl und geborgen.
Ich freue mich über jede Mama, jeden Papa und natürlich auch
Oma, Opa, Tante usw..., die sich fürs Tragen entscheiden! Ich möchte, dass sich
die Eltern mit ihrer gewählten Tragehilfe oder ihrem Tuch wohl und sicher
fühlen und gut damit zurechtkommen. Ich zeige in meinen Beratungen nicht nur,
wie es mit dem Tuch/der Tragehilfe "funktioniert", sondern gebe auch
viele Tipps rund ums Tragen mit.
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