Dienstag, 9. Mai 2017

Vom Aufmerksamkeitstopf, der gefüllt werden möchte


Vor längerer Zeit habe ich auf dem Montessori-orientierten Blog „Großer Tiger und kleine Biene“ einen tollen Artikel über den „Aufmerksamkeitstopf“ von Kindern gelesen. Mir gefällt dieser Ansatz total gut und da die Thematik bei uns gerade sehr aktuell ist, möchte ich euch gern davon erzählen.


Ricarda schreibt hier dazu: „Kinder sind auf unsere Aufmerksamkeit angewiesen – wir sind ihre größten Vorbilder und sie wollen von uns gesehen und gehört werden. Und nun möchte ich nochmal darauf zurückkommen, dass Kinder grundsätzlich kooperieren wollen. Und ich würde behaupten, dass gar nicht ihr Maß an Kooperationsbereitschaft mit anhaltender, verlangter Kooperation sinkt, sondern dass es ihnen irgendwann, wenn der Aufmerksamkeitstopf leer ist, schlichtweg unmöglich ist, weiter zu kooperieren. Auch wir Erwachsenen können nur über einen gewissen Zeitraum kooperativ sein – vor allem, wenn unsere Kooperation dann nicht einmal richtig gesehen oder wertgeschätzt wird. Wenn Kinder also unaufhaltsam unsere Aufmerksamkeit (vor allem durch negatives Verhalten) fordern, liegt es wahrscheinlich daran, dass ihr Aufmerksamkeitstopf leer ist und gefüllt werden möchte. Erst wenn wir uns unseren Kinder aufmerksam zuwenden, ihnen zuhören und Zeit schenken, können sie auch umgekehrt wieder kooperativ sein. Trotziges Verhalten ist kein Fehlverhalten unserer Kinder, sondern ein natürliches Verhalten in einer verzweifelten Situation. Es ist unsere Aufgabe zu hinterfragen, was das Kind momentan braucht.“ 


Ich finde einfach dieses Bild vom Topf, der gefüllt sein möchte, so plastisch und konkret. Darunter kann man sich als Eltern etwas vorstellen und konkrete Handlungen folgen lassen. 

Monatelang war Eifersucht für unseren Sohnemann kein Thema. Er ging sehr liebevoll mit seiner kleinen Schwester um und war großteils entspannt und zufrieden. Doch dann kam das kleine Mamamädchen auch noch in die Phase, die gern Achtmonatsangst genannt wird. Sie klebte quasi auf mir, weinte, sobald ich den Raum verließ und ließ sich weder vom Papa noch von der Oma beruhigen. Gleichzeitig wurde sie laufend mobiler, krabbelte in Höchstgeschwindigkeit und erreichte durchs Hochziehen auch höher gelegene Spielsachen. Nichts mehr war vor ihr sicher und plötzlich machte sich beim Sohnemann Verzweiflung breit. Die kleine Schwester, die schon die Mama so belagerte, krallte sich nun plötzlich auch seine Spielsachen und forderte rundherum Raum ein. Dazu machte er auch noch einen körperlichen Entwicklungsschub und wurde windelfrei, also auch viel Neues. Immer öfter reagierte er mit Schreien, Weinen und Wutanfällen. Er krallte sich an mich, wollte mich nicht mehr loslassen, plötzlich nicht mehr mit Papa ins Bett gehen und begann schlussendlich auch, die Kleine zu schubsen und zu hauen. Und wisst ihr was? Ich kann das total gut verstehen und es zerreißt mir das Herz, dass ich ihm nicht immer gerecht werden kann. 
Nun versuche ich also ganz bewusst, den vermutlich recht leeren Aufmerksamkeitstopf langsam wieder zu füllen. Es ist ja nicht so, dass ich mich die letzten Monate nicht um ihn bemüht habe, aber jetzt lege ich besonders viel Wert darauf.

 


Und wir machen laufend Fortschritte. Schön langsam haben wir beim Töchterlein untertags einen recht guten Schlafrhythmus gefunden. Sobald sie schläft, erledige ich nur die allerwichtigsten Griffe im Haushalt, wobei mir der Sohnemann manchmal gerne hilft und dann gehören meine Zeit und meine Aufmerksamkeit ganz ihm. Je nachdem, worauf er Lust hat, spielen wir, bauen Duplohäuser, lesen Bücher, schauen Fotos an, kochen gemeinsam oder backen einen Kuchen, wir kuscheln am Sofa oder essen Kekse und plaudern. Er genießt das offensichtlich und ich auch. Ganz bewusst freue ich mich über dieses wunderbare Kind, wie er mir mit seinen Worten die Welt erklärt und so begeisterungsfähig und fröhlich ist. Weiters klappt es immer besser, dass die kleine Maus auch mal bei Papa bleibt und letzte Woche waren der Sohnemann und ich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit allein zu zweit unterwegs. Das Töchterlein verbrachte eine Dreiviertelstunde bei Oma und wir waren am Spielplatz. Nichts Besonderes, und doch irrsinnig wertvoll. Diese Mama-Sohn-Unternehmungen werden wir auf jeden Fall beibehalten und nach und nach zeitlich ausdehnen.
Und auch im ganz normalen Alltagssituationen bemühe ich mich ganz bewusst, ihn zu "sehen", wirklich mit den Gedanken bei ihm zu sein, wenn ich mit ihm rede und häufige Kuscheleinheiten einzubauen.
Die Wutanfälle sind viel seltener geworden und die Weinerlichkeit auch. Einzig das Hauen der Schwester ist noch sehr aktuell, hoffentlich kommen wir da auch bald einen Schritt weiter.

Ich wünsche mir, dass die Aufmerksamkeitstöpfe meiner Kinder – natürlich auch vom Töchterlein – zukünftig nie komplett leer werden und dass ich so gut wie möglich Zeit finde, sie immer wieder zu füllen. Denn ganz ehrlich, diese "Quality Time" ist nicht nur für die Kinder schön, sondern auch für die Eltern. Und es müssen nicht immer die großen Dinge sein, viele kleine Aufmerksamkeiten im Alltag bewirken ebenso unglaublich viel. 

Alles Liebe für euch und eure Familien und bis bald! 



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